Es ist egal wie das Wetter wird. Denn erstens sieht das Tiroler Bergmassiv auch dick eingehüllt in dunkle Regenwolken imposant aus.
Zweitens ist der Service im Biohotel Schweitzer unheimlich heimelig. Hier trägt man die Sonne im Herzen. Österreichische Gastlichkeit eben. Das soll keineswegs bedeuten, dass man sich hier zwar auf ein perfektes Hotel, aber auf englisches Wetter einstellen muss. Ganz im Gegenteil. Das Mieminger Platteau glänzt mit 2000 jährlichen Sonnenstunden und das Haus selbst mit einer Wohlfühlatmosphäre, die jeder schlechten Laune trotzt.
Sabrina
Vorstellen brauchen wir uns nicht – das müssen wir übrigens nie, während unseren Aufenthalts. Hier lernt man, wie professionelle Hotellerie geht. Geschäftsführerin Sabrina begrüßt uns zielsicher. Sie hat sich gut vorbereitet. Dabei versprüht sie ihren Tiroler Charme. Direkt, ungeheuer freundlich, kumpelhaft, aber mit besten Manieren. Seit sieben Monaten führt sie das kleine Biohotel, in dem sie mit sechs Mitarbeitern, maximal 45 Gäste betreut. „Dann haben wir schon gut zu ackern,“ erklärt uns die junge Frau, während sie uns durchs Haus und auf die Zimmer führt.
Sie hat ihr Handwerk bei einer dualen Ausbildung von der Picke auf gelernt. Wusste schon mit sieben was sie werden will, ging mit 14 aufs Internat, war in England und Italien und wollte nach Jobs in großen Häusern mal wieder nach Hause zurück. „Ehrlich gesagt, sehe ich meine Familie (die im Ort lebt) jetzt noch weniger,“ gibt sie lachend zu. Als Teil der Schwesterhäuser Schweitzer und Schwarz wird man in eine große Familie integriert, die einem Vieles abverlangt. Trotzdem haben wir das Gefühl, dass sich die Mitarbeiter hier auch ein Stück weit, wie Gäste fühlen dürfen. Die Verzüge der natürlichen Umgebung, die entspannte Atmosphäre in den Häusern – die durch die familiäre Verknüpfung seit vielen Jahren eng zusammenarbeiten – färbt nicht nur auf die Gäste, sondern auch auf das Personal ab. Zumindest haben wir den Eindruck. „Trotzdem soll das noch nicht meine letzte Station sein.“ Aufs Schiff wolle sie mindestens gern noch mal, so Sabrinas Plan.
Schnell beziehen wir unsere Zimmer. Klein, aber überaus gemütlich. Schokolade auf der kuscheligen Bettdecke, Obst und Granderwasser auf dem Tisch, Naturkosmetik im Bad, Blick auf schneebedeckte Gipfel aus dem Fenster. Auf der Straße vor dem Hotel fährt nur selten ein Auto vorbei … hier wird es sich aushalten lassen. Nun fix noch stärken – man hat mit dem Mittagessen auf uns gewartet. Wir greifen beim üppigen Salatbuffet, bei Suppe und Wildreis mit Pfannengemüse zu. Oben im Alpenresort erwartet man uns schon, das Shuttle kommt in 15 Minuten.
Sascha
Groß, blonde, raspelkurze Haare, Tattoos. Sascha ist Page, Chauffeur, Mädchen für Alles und wohl so was wie ein ‚Original‘ – immer lächeln, immer, zwei drei flippige Sprüche auf den Lippen. Bei unserer ersten Shuttle-Fahrt vom Biohotel ins zwei Autominuten entfernte Alpenresort Schwarz ist er leider nicht unser Fahrer, doch begegnen werden wir ihm noch öfter, was uns stets eine Freude ist.
Gern wolle er uns in seinem Lieferfahrzeug mitnehmen, doch das war natürlich ein Missverständnis und wir werden selbstverständlich in der bequem-diskreten Luxuskarosse kutschiert, die jedem Biohotel-Gast zur Verfügung steht. Denn damit man trotz aller Ruhe und gesundem Wohlfühlklima, nebst Biokost auch auf eine ansehnliche Portion Wellness nicht verzichten muss, darf im Schwarz alles benutzt werden: Saunalandschaft, Wasserwelten, Fitnessräume, Spa-Programm. Auch wir sind dazu eingeladen, doch vor dem Vergnügen kommt bekanntlich die Pflicht, so angenehm sie in diesem Fall auch ausfallen mag. Ein ganz junger Kollege von Sascha fährt uns rüber. Unseren bohrenden Fragen zu Land und Leuten gibt er alles Andere als Einsilbig und mit aller erdenklichen Höflichkeit nach. Auf dem Rückweg werden wir Sascha ausfragen.
Vielleicht können wir aus ihm ein paar Geheimnisse und Schwachstellen der Häuser herauskitzeln. Doch Fehlanzeige, Sascha ist glaubwürdig loyal. Der gebürtige Bulgare kam nach der Wirtschaftskrise im eigenen Land nach Österreich. Früher war er selbst Arbeitgeber und wollte nur für einige Wochen im Schwarz jobben, daraus sind inzwischen fünf Jahre geworden und „nein, was wollt ihr hören? Ich fühle mich sehr wohl hier. Es gibt nichts Negatives zu berichten.“ Dresden kenne er übrigens, der Sohn studiert in Chemnitz.
Christina
Im 5-Sterne Ressort empfängt Marketing-Chefin Christina die beiden Öko-Blogger. Wir fallen schon ein bisschen aus dem Rahmen, weil wir uns für das Biohotel und weniger für die Luxus-Anlage interessieren. Sofort nimmt sie uns die schwere Kamera-Ausrüstung ab und führt durch die alten und neuen Gemäuer. Wer könnte sich besser auskennen – Christina hat ihr Handwerk hier gelernt, ist seit 20 Jahren dabei.
Und es ist gut, dass sie uns führt. In den verschachtelten Häusern, die unterirdisch und durch einen schönen alten Obstgarten verbunden sind, verirrt sich der Laie schnell. Über die Geschichte der Hotels erfahren wir an dieser Stelle schon viel und werden das später, im Gespräch mit Senior-Chef Franz Pirktl noch vertiefen können: Das Stammhaus des heutigen Hotels ist 300 Jahre alt, kam Ende des 19. Jahrhunderts in den Besitz der Geschwister Schwarz, zweier lediger Damen, die das Anwesen an den Vater des heutigen Seniorchefs weiter gaben. In den 60er Jahren begann dann der Ausbau des ehemaligen kleinen Gasthofes zum heutigen Alpenressort mit Platz für maximal 450 Gäste. Und von Stillstand keine Spur. Zur Zeit bauen die Tiroler Wellness-Pioniere Pirktl ein Clubrestaurant und ein Saunadorf aus. „Dabei geht es uns nicht nur um das Wohl der Gäste. 2015 haben wir das erste zertifizierte Mitarbeiterhaus Österreichs in Passivhausqualität, mit 70 Wohnungen, Bibliothek, Lernküche und Fitnessraum, eröffnet.“ Freude geben – Freude bekommen. Nach diesem Kredo arbeitet das Schwarz und übernimmt Verantwortung für die Mitarbeiter. Beispielhaft und preisgekrönt ist die betriebliche Gesundheitsförderung. Es soll eben nicht nur Spaß machen, hier seinen Urlaub zu verbringen, sondern auch, zu arbeiten. Wir sollen noch öfter die Chance bekommen, zu prüfen, wie dicht diese Nahtstelle ist.
Monika
Nach einer überaus ruhigen und entspannten Nacht begrüßt uns frisch und freude-strahlend Monika am nächsten Morgen, 7.30 Uhr. Leider erlaubt das Wetter das Tautretten im Garten des Biohotels nicht. Also gibt’s eine Indoor-Atemtherapie.
Mit einer Mischung aus Yoga, Pilates und Meditation beginnen wir sanft den Tag auf der Suche nach der inneren Mitte. Ein dickes Paket positiver Energie gibt’s von Monika, die das hier jeden Morgen für die Gäste anbietet, obendrauf. Noch etwas Müde lassen wir uns schnell von ihrer Vitalität anstecken. Sprüht die Therapeutin doch nur so vor Lebenskraft und Temperament. Vor Jahren hatte sich die sportbegeisterte Tirolerin für einen Aushilfsjob beworben. Inzwischen ist sie fester Bestandteil des Spa-Teams und baut ihre Ausbildung in den Bereichen Atemtherapie und Yoga weiter aus. Nach eingehender Fachsimpelei über die Wendepunkte des Lebens, nachhaltige Lebensweise und Basenkuren, vergessen wir fast das Frühstück und unseren nahenden Termin mit Fastenspezialistin Barbara. Entspannt und mit nützlichem Wissen zur richtigen Atmung verabschieden wir uns vorerst von Monika, die wir ohnehin später zur Massage im Schwarz-Spa wieder treffen. Beim Hinausgehen erzählt sie uns noch schnell die Geschichte von Liesel Goltermann, einer der erfahrensten Yoga-Lehrerinnen Europas, die viele Jahre, noch mit über 90, die Yoga-Wochen im Hotel Schweitzer leitete.
Barbara
„Ich habe mich schon lange fürs Fasten interessiert und mehrere Kuren gemacht. Daraus wollte ich einfach mehr machen und die Geschäftsleitung hat meine Ambitionen sehr unterstützt.“ Barbara war und ist eigentlich Assistentin der Geschäftsleitung im Hotel Schwarz. Die parallele Ausbildung zur diplomierten Fasten- und Gesundheitstrainerin wurde von den Chefs begrüßt und unterstützt.
Acht Mal im Jahr bietet Barbara nun im Biohotel eine Heilfasten-Woche an. Den Teilnehmern steht sie während dieser Zeit rund um die Uhr zur Verfügung. „Ich vermittle meinen Fastern diese Zeit als ‚Lernwoche‘. Sie dürfen seelisch zur Ruhe kommen. Weg vom Alltag und vom Mobiltelefon können sie sich hier quasi ‚downloaden‘.“ Das Abnehmen sei natürlich oft ein wichtiger Aspekt, aber nicht die Hauptmotivation. „Es geht darum, sich und seinem Körper eine intensive Pause zu gönnen, frei zu werden, im Körper und im Geist.“ Dabei habe sie noch nie negative Erfahrungen mit ihren Fastengruppen gemacht. Viele entwickeln während des Heilfastens eine unglaubliche Energie und lernen sich ganz neu kennen. „Den Meisten wahr vorher sicher nicht klar, wie befreiend es ist, seinen Namen zu singen.“ Man spürt, dass Barbara von ihrer Arbeit beflügelt wird. Während der Kur spendet sie den Fastern nicht nur Liebe und Hingabe, sondern leitet sie auch mit einem aktiven Programm aus Wanderungen, Kneip- und Entspannungskuren an.
Als wir Barbara kennenlernen, betreut sie gerade eine einzelne Dame – die Ihre Enthaltsamkeit sichtlich genießt – bei einer Basenkur.
Die Küche im Biohotel schafft dafür die ideale Basis. Fastensuppen und basische Lebensmittel sind fester Bestandteil des täglichen Angebots und das Thema Gesundheit essentielle Prämisse der Philosophie. Die Vollwert-Küche ist nicht nur zu 100 Prozent Bio, sondern stellt sich auch auf individuelle Bedürfnisse ein: Egal ob vegan, laktose- oder glutenfrei.
Maria
Leider haben wir das Pech, die gute Seele des Hauses, Maria Schweitzer, nicht persönlich anzutreffen. Dabei hatten wir uns fest vorgenommen, der Chefin des Biohotels über die Schulter zu schauen. Denn selbst mit Mitte 80 schwingt sie täglich noch den Kochlöffel, kümmert sich um den Einkauf und überlässt nicht dem Zufall, was auf den Tisch kommt. Dabei hat sie besonders die vegetarische und vegane Küche im Auge. Dafür gab es bereits vor 16 Jahren die ‚Grüne Bio-Haube‘.
Standards für die Bio-Hotelerie und -Gastronomie bestimmt das Schweitzer schon länger mit. 1997 erhielt das kleine Hotel als erstes Haus in Österreich eine Biozertifizierung durch Bio Austia. Seitdem steht es mit seinem Bio-Rundum-Paket beispielhaft für die unzähligen Biohotels, die es inzwischen in Österreich und ganz Europa gibt.
Ihr wertvolles Wissen um die Vollwert-Küche hat Maria Schweizer in einem Buch festgehalten. Darin finden sich feine Hausrezepte für gesunde Süßspeisen aus dem Biohotel Schweitzer. Wir denken, es wird nicht das letzte Buch aus der Feder der umtriebigen Pionierin gewesen sein.
Wir danken der Familie Pirktl-Schweitzer und all den lieben Menschen, die zum Wohlfühlprogramm in beiden Hotels beitragen, für den inspirierenden Aufenthalt im Tiroler Mieming. Es wird mit Sicherheit nicht unser letzter Besuch gewesen sein – auf jeden Fall wollen wir noch einmal Maria Schweitzer treffen.