Im Spätsommer erreichte uns ein Paket von Aronia-Original. Mit der Bitte um ein kritisches Urteil, hatte man einige Flaschen mit neuen Säften an Livona verschickt und siehe da, Aronia ging fremd: Maulbeere, Granatapfel, Holunder etc.? Dankt die heimische Wunderbeere ab? Die schicken Flaschen setzen der Exklusiv-Vermarktung von Aronia-Produkten ein Ende..? Nach unserem etwas ernüchternden Testresultat erweiterte sich unser Fragenkatalog signifikant, sodass wir die darauf folgende Einladung zur Ernte in die Coswiger-Plantage nur zu gern annahmen.
Terminliche Schwierigkeiten zerschlugen unser Treffen im Grünen, aber ließen unsere Fragen offen und so finden wir uns wenig später in der Aronia-Homebase, im 7. Stock eines der modernsten Bürokomplexe Dresdens, mit Blick über die urbanen Raffinessen der Stadtmitte, wieder. Grau-trübes Herbstregenwetter tut sein übriges. Höher kann der Kontrast, zu dem was nun kommt kaum sein.
Interview mit Aronia-Gründer Jörg Holzmüller
Unsere Verabredung mit dem Aronia-Geschäftsführer Markus Kerres findet im eigentlichen Sinne nicht statt. Denn Firmengründer Jörg Holzmüller, eigentlich noch im Urlaub aber neugierig auf die Schreiberlinge und ohnehin immer am Ball, lässt in den folgenden drei Stunden keinen mehr zu Wort kommen. Holzmüller ist Geschäftsmann, war Journalist und Unternehmensberater, gründete einen der heute erfolgreichsten Technik-Online-Warenhäuser und hätte Arbeit eigentlich nicht mehr nötig gehabt.
Warum tuckert er nun trotzdem mit dem Trecker über Obstfelder im Meißner Land, vergräbt allerlei wundersames Mineralgestein, vertraut den Mondphasen und schwärmt von Bioenergetik? Einfach weil ers kann?! Fast. Holzmüller ist ein Mann mit Ideen und diese Ideen setzt er erfolgreich um. 30 Leute fahren inzwischen täglich rauf in den 7. Stock, um bei Aronia-Original ihren Dienst zu tun.
Aronia zum schmieren und verpulvern
Mit 400 Hektar Anbaufläche und sechs Tonnen Beeren-Ernte pro Hektar, ist man Aronia-Marktführer und vertreibt neben dem Saft der „Powerbeere“, der übrigens in einer kleinen Mosterei „auf einer ziemlich altmodischen Saftpresse“, wie Holzmüller erwähnt, gewonnen wird, eine ganze Palette an weiteren Produkten: Vom Arionaaufstrich, über Fruchtriegel und Süßigkeiten bis hin zu „CellAktiv“-Nahrungsergänzungsmitteln. (Die wundersamen Pulver aus 100 Prozent Frucht durften wir vor Ort testen.)
Dabei versucht man sich mit einer breiten Produktpalette und den neuen Saftkreationen wirtschaftlich abzusichern. „Schlechte Ernten können wir abpuffern, in dem wir uns diversifizieren. Trotzdem werden wir immer bei den dunklen Beeren bleiben.“
Holzmüller erklärt uns die Schwierigkeiten, die mit dem Umgang mit Naturprodukten und der landwirtschaftlichen Produktion verbunden sind. „Naturprodukte lassen sich schwer standardisieren, wir sind immer von der Wetterlage abhängig. Die beeinflusst nicht nur die Ernte, sondern auch die Qualität der Beeren. Natürlich wollen wir nicht alles dem Zufall überlassen und versuchen dabei immer mehr zu machen als uns die klassischen (Bio-)Anbauregeln vorschreiben, um so natürlich und ursprünglich wie möglich zu arbeiten. Dafür experimentieren wir zum Beispiel mit verschiedenen Kiesel- und Brennesselpräparaten, zu denen es bisher kaum wissenschaftliche Erkenntnisse gibt. Hier berät uns ein Netzwerk von Experten. Wir haben auch einen Ökotrophologen im Haus. Die Präparate bringe ich auf unserem Feld in Coswig, dass seit Kurzem biozertifiziert ist, meistens selbst aus. Dafür lerne ich übrigens grade das Trekker fahren. Von anderen Landwirten werden wir für unseren ‚Hokuspokus‘ gern mal belächelt. Dass es uns gelungen ist, die Produkte über die Jahre zu verbessern, gibt uns Recht. Vor allem konnten wir die Qualität der Beeren signifikant steigern. Wir beobachten die Biophotonentätigkeit in den Beeren, den Anteil an Antioxidantien und können sogar nach der Pastorisierung noch einen Anteil an Vitamin C messen.“
Wo bleibt die Regionalität?
Wir sprechen den Punkt Regionalität an. Denn ein großer Anteil der Beeren kommt eben nicht aus Sachsen. „Regionalität ist uns sehr sehr wichtig. Wir arbeiten hart daran, den Anbau immer näher an uns heran zu bringen. Im Moment ist es so, dass die polnischen Felder nicht mehr als 300 Kilometer entfernt liegen, das finden wir schon mal gut. Am Ende ist es auch ein großes Risiko, nur an einem Ort anzubauen. Trotzdem suchen wir natürlich nach Anbauflächen vor Ort.“ In den Regional-Saft fließt schon jetzt nur deutsche Ware. Eines dieser Felder liegt in Stolpen, wo Aronia mit der Hand gepflückt wird.
Auch faire Standards für Bauern, sorgt für mehr Qualität der Produkte. „Deshalb gibt Aronia-Original all seinen Bauern eine fünf-10 jährige Preisgarantie. So nehmen wir das Risiko von den Bauern und sie können sich unbeschwerter um gute Produkte kümmern.“
Neue Kunden braucht das Land
2015 hat man sich nun mit dem Verpackungsrelaunch auch inhaltlich ein Stück weit neu erfunden. Neue Produkte sollen weitere Käuferschichten erschließen – vor allem in der Gruppe der unter 50-jährigen. Mit der neuen Kennzeichnung „vegan“ will man sich auch diesem Trend nicht verschließen. Die speziell für Aronia entwickelte Braunglasflasche kommt aus Tschechien und ist Pfand- und kleckerfrei. Mit Absicht, denn beides spart jede Menge Wasser.
Zum Schluss soll die Frage erlaubt sein, warum man so viel Energie in ein solch herbes Pflänzchen steckt. Denn gefällig ist der Geschmack der Beere nun gerade nicht. „Den ersten Kontakt mit Aronia hatte ich als junger Mann. Damals empfahl mir ein Heilpraktiker den damals sündhaft teuren Aroniasaft, um meine Sehschwäche zu behandeln. Und siehe da, die schlechte Sauerstoffversorgung in den Kapillargefäßen verbesserte sich und damit meine Sehkraft. Erst viele Jahre später, im Gespräch mit einem Arzt, kam ich wieder auf Aronia. Ich habe mich dann intensiv mit dem Thema beschäftigt und das riesige Potential der Pflanze erkannt.“
Holzmüller hat einen wesentlichen Beitrag geleistet, die alte Pflanze, die ursprünglich nur als Farbstoffgeber für die Lebensmittelindustrie angebaut wurde, vor der Vergessenheit zu bewahren. „Heute haben chemische Farbstoffe Aronia den Rang abgelaufen. Die Plantagen hätte man längst abgeholzt. Dabei lege ich jedem ans Herz, jeden Tag ein bisschen Aronia zu sich zu nehmen, egal ob als Saft oder als getrocknete Beere. Denn Aronia ist nicht nur reich an Mangan, außerdem enthält sie Flavonoide, Folsäure und Vitamin-K, um nur einige der besonderen Bestandteile zu nennen.“
Gut bepackt mit nützlichem Wissen um die „Superberry“ und vielerlei Kostproben sind wir bestens gerüstet um Holzmüllers Aufforderung zu folgen. Sechs Wochen werden wir täglich von den Aronia-Produkten probieren. Gewürzt mit der positiven Einstellung das Richtige zu tun, hoffen wir auf jede Menge kleiner Wunder.
Ich finde die Geschichte gut. Man hat das Gefühl, als wolle der Mann etwas Sinnvolles mit seiner Zeit anstellen. Auch wenn der Anbau noch nicht ganz regional ist, so baut er zumindest schon mal etwas an, was dem Menschen sicherlich nicht schlecht tut. Auch das mit der Diversifizierung ergibt für mich Sinn.
LG Andree